Anna Barwe

Staatl. geprüfte Geigenbauerin

Mitarbeiterin der Geigenbauwerkstatt Bley & Sohn

  • Ausbildung in der Geigenbauwerkstatt Bley
  • und der staatl. Fachschule für Geigenbau/Mittenwald
  • Gesellenprüfung 2011
  • Seit 2011 Festanstellung als Gesellin in der Werkstatt

Wie kommt ein Mädchen ausgerechnet in der Fußballstadt Dortmund dazu, diesen Beruf zu wählen?

Die Frage muss nicht nur erlaubt sein, sie wird auch häufig gestellt. Ruhrgebiet! Dreieinigkeit von Stahl und Kohle und Bier – das war der Ruf, der über hundert Jahre das Bild dieser Stadt in allen Köpfen der Welt geprägt hat. Inzwischen existiert keine dieser Industrien mehr in Dortmund. IT (Informationstechnologie), Einkaufszentrum und Fußball – an diesem Ruf wird heute emsig gearbeitet. Dabei hat es hier immer schon Musik, Kunst, Theater und Literatur gegeben!

Allein das klassische Standartlexikon MGG (Musik in Geschichte und Gegenwart) widmet dieser Stadt vier eng bedruckte Seiten. MGG, ein Werk der Hochkultur, muss aber nicht der Maßstab sein! Immer schon brachten Arbeitsemigranten ihre Instrumente in die Einwanderungsstadt Dortmund mit und spielten in zahllosen Formationen und Orchestern, auch wenn es ‚nur‘ ein Werksorchester war. Sie hatten zahllose Auftritte zu vielen Anlässen. Seit 100 Jahren gibt es ein Sinfonieorchester der A-Qualität. Darüber hinaus existieren heute 80 Chöre im Stadtgebiet; es gibt eine Musikschule mit 6.000 Schülern, eine Jazz-Akademie, Chorakademie und eine Orchesterakademie. Gar nicht zu erwähnen die Kinder, die heute im Zuge des JeKits-Programms mit Geigen auf dem Rücken ihrer Grundschule zustreben. Sechs Geigenbauer hatten noch vor dem 2. Weltkrieg in dieser Stadt gleichzeitig ein Einkommen. Musikstadt ist Dortmund also auch – lebendig, schon lange nicht mehr grau und neblig trüb!

Ihre Liebe zur Musik trieb Anna Barwe – als Schülerin einer Gesamtschule mit dem Schwerpunkt Musik – zunächst an das Cello. Ihrem Cellolehrer fiel sie wegen drei erstaunlicher und selten gewordener Eigenschaften auf: Beharrlichkeit, Beständigkeit und Zuverlässigkeit, darüber hinaus wegen ihrer Liebe zu handwerklichen Dingen, selbst gemachten Schmucks, Design und Kunst. Ein Schülerpraktikum in der Geigenbauwerkstatt ihres Cellolehrers wurde im üblichen Rahmen absolviert. Ein weiteres Praktikum in den Ferien folgte mit ernsthafteren Aufgaben: Jetzt sollte ihre Eignung zum Beruf getestet werden. Sie ließ keinen Zweifel aufkommen. Ein Jahr nach dem Abschluss der Mittleren Reife war dann auch der Meister so weit: Die Finanzierung der aufwändigen Lehre war gesichert. Er rief, Anna Barwe ließ ihre begonnene Ausbildung zur Arzthelferin fallen und kam in die Werkstatt.

Endlich der ersehnte Beruf! Glücklich unterschrieben sie, ihre Eltern und der Meister den Lehrvertrag. Wochenlange Zeiten in ‚Blockseminaren‘, mehrmals im Jahr, verbrachte sie in Mittenwald. Exkursionen, die die Fachschülerinnen und -schüler selbst organisiert hatten, führten sie in den ‚Musikwinkel‘ Deutschlands im Vogtland und zur historischen Wirkungsstätte der altitalienischen Geigenbauer: Cremona.

Die Gesellenprüfung: Sie ist umfangreich und umfasst weite Gebiete der Materialkenntnis, Kulturgeschichte, Handwerkstechnik, Physik und des kaufmännischen Denkens. Dabei haben alle Anforderungen internationalen Maßstäben zu entsprechen. Museums- und Messebesuche, Einblicke in andere Werkstätten und Kontakte zu gleichaltrigen Kollegen festigen auch heute noch ihren Stand in dem von außen gesehen exotischen Beruf.

„Sie fühlt sich in der Werkstatt sichtlich wohl“, schreibt die Reporterin vom überregionalen Handwerksblatt im April 2011 und veröffentlicht ein Zitat von ihr: „Mit den Händen zu arbeiten und später das Ergebnis zu sehen – das macht echt Spaß!“

 

2 Kommentare zu „Anna Barwe“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert